IM KURHOTEL

Analoge Fotografie
2010-2011 | verfügbare Größen | 150x100cm | 45x30cm

BETTINA SCHULZ | Panta Rhei

Ein Projekt, das ganz hervorragend in seiner Ganzheitlichkeit funktionierte, ist die Serie über das Kurhotel sowie die Kuranstalt in Schruns: Zu Beginn der fünfziger Jahre erbaut, zählte diese Institution bis in die siebziger Jahre zu einer der renommiertesten und nobelsten seiner Art. Die Umsätze gingen jedoch zurück – seit 2002 ist der Gebäudekomplex ganz verlassen und in dieser fast schon gespenstischen Leere verschwand auch der Eigentümer … den Porsche vor der Haustüre zurücklassend. Viele Gerüchte kursierten um seinen Verbleib sowie das altehrwürdige Gemäuer, nun soll es abgerissen werden.

Dieser Ort mit seinen unausgesprochen Erzählungen war prädestiniert für Marko Zink: Er schuf hieraus eine Serie voller irritierender Momente, das Paradox einer verfallenden Heilanstalt – der »Arzt« wird zum Patienten.

Es entstanden Suchbilder, die durch seine spezielle Fotografietechnik, die Vergänglichkeit unabhängig vom Motiv in sich tragen. Hier lugt ein Arm hervor, dort steht jemand hinter dem Vorhang. Die Vergangenheit glamouröser Zeiten blitzt kurz hervor, ehe sie sich in der Tristesse der Verwahrlosung, der Anhäufung skurril anmutendem Mobiliar auflöst. Ein privater Schicksalsschlag Zinks (…) mag dazu beigetragen haben, daß diese Serie von unglaublich intensiver Melancholie getragen wird. Vitalität und Tod lagen im künstlerischen Konzept nah beeinander – die Realität untermauerte es mit unbarmherziger Wucht.

GÜNTHER OBERHOLLENZER | Ein Hotel mit Geschichten | Marko Zinks geheimnisvolle Erscheinungen des Verschwindens

Die Räume in Zinks Bildern erscheinen leer und verlassen, doch sind sie es wirklich? Bei genauerem Betrachten tauchen fast überall Irritationen auf. Unheimlich, beinahe geisterhaft ist hier eine Hand, dort ein Fuß auszumachen, ein Rücken, ein Arm, ein Gesäß. Hinter Sessel und Tisch, unter Decke und Teppich lugen nackte Gliedmaßen hervor, Körper sind halb von geöffneten Türen verdeckt, Schatten zeichnen sich hinter Vorhängen ab, Finger greifen nach einem Fensterknauf oder durch einen Türschlitz, Arme hängen schlaff von der Bettkante oder liegen wie tot auf dem Boden. Zink fängt den Geist und die Stimmung des alten Kurhotels ein, zugleich reagiert er auf den Ort und interveniert auf subtile Art. Die menschlichen Körper eignen sich den Raum an, sie verändern ihn und beeinflussen dadurch, wie man ihn wahrnimmt. Der Raum erscheint emotional aufgeladen, mysteriös und geheimnisvoll. Eine große Einsamkeit und Verlorenheit ist spürbar.

(…)

Die Fotografien sind Suchbilder, sie changieren zwischen intimen, auch voyeuristischen Einblicken und der kriminologischen Untersuchung eines möglichen Verbrechens. Wurde jemand in der Badewanne ermordet? Hat sich der Täter hinter dem Vorhang versteckt? Oder lauert er gar jemandem auf? Zink kommt ohne künstliche Beleuchtung aus, aufwendige Inszenierungen oder Settings sind ihm fremd. Bisweilen wirken die Arbeiten fast wie Schnappschüsse, wie eine fotografische Spurensuche und dabei zufällig gemachte Entdeckungen. Die ruhigen und doch spannungsreichen Bilder verströmen aber auch jenes unheimliche Gefühl, dem wohligen Erschaudern im Kinosaal gleich, wenn man den Schatten des Mörders noch vor dem Opfer entdeckt. So lassen einige von Zinks Fotoarbeiten an Filmstills denken – besonders jene Szenen mit der fliehenden Frau, die mit Mantel und Sonnenbrille getarnt durch Gang und Stiegenhaus hetzt. Wer ist diese geheimnisvolle Person, und vor wem ist sie auf der Flucht? Handelt es sich um dieselbe Frau, die auf anderen Fotos ihr Gesicht hinter Sonnenschirm und Zeitung verbirgt? Die Geschichte, der Film entsteht im Kopf des Betrachters.

AUSSTELLUNGSANSICHTEN | Suite Franziska Hausmaninger, Österreich | Künstlerhaus Wien, Österreich | Galerie Michaela Stock, Österreich

AUSSTELLUNGSFOTOS | Matthias Bildstein